Kapitel 19

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"Ja ich kann jetzt auch schon. Mach schnell ich warte", stand in Mert's Nachricht, die er mir geschickt hatte.
Ich antwortete ihm nicht und packte direkt mein Handy in meine Hosentasche. Bevor ich das Haus verließ schrie ich noch durch den ganzen Flur, "Ich gehe."
Schulsachen brauchte ich nicht mitnehmen, da Mert genau die gleichen auch bei sich hatte.
Ich nahm schnell meinen Autoschlüssel und knallte die Tür hinter mir zu, welche dann ins Schloss fiel.
Während der Autofahrt sang ich die ganze Zeit mit auch wenn ich den Text nicht konnte und mich dabei wie eine bekloppte anhörte, es war ja sowieso niemand anderes im Auto, der mich auslachen konnte.
Als ich vor dem Haus ankam, parkte ich in der Einfahrt und tippte die Nachricht, "ich bin da", ein. Dann stieg ich aus und musste gar nicht klingen, denn ein oberkörpefreier Mert, dem ein Pizzastück im Mund hing, (die zur Hälfte rausschaute) öffnete mir die Tür. Ich schaute ihn nur grinsend an und er mich ebenfalls. Die rote Tomatensauce war  an seinem Zähnen verschmiert und ich verzog angewidert mein Gesicht
"Hey", begrüßte ich ihn und trat ein. "Hey", sagte er und vergaß dabei, dass seine Pizza noch im Mund hing, und dann auf den Boden platschte. Ich sprang einen kleinen Schritt zurück, da die Tomatensauce etwas spritzte.
"Oh mein Pizza", sagte er gespielt traurig und schaute sie an.
"Oiiii kiyamam", (sowas wie dass sie Mitleid hat) sagte ich und lief auf ihn zu um ihm in die Backen zu kneifen.
"Ey ich will ne neue Pizza", meckerte er rum. "Dein Pech", kam es von mir und lief an ihm vorbei.
Dann drehte ich mich um, da ich jemanden die Treppen runterlaufen hörte.
Mein erster Gedanke war es, dass Aleyna die Treppen runtergelaufen kam, doch mit meinen Vermutungen lag ich falsch. Ich sah wie Melissa die Treppen herunterlief und meinte "Ich muss geh- oh hey Ela."
Mittlerweile stand sie gerade vor mir und ich begrüßte sie nur mit einem einfachen Hi. Sie lächelte mich an und ich war sichtlich verwirrt, aber ich schenkte ihr kein Lächeln zurück. Was machte sie hier? Und warum zur Hölle war Mert oberkörperfrei?
Sie ging zu Mert und umarmte ihn, danach gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und sagte "Ich muss jetzt los, wir sehen uns ja wahrscheinlich morgen", ihr Blick huschte auf den Boden, "warum liegt da eine Pizza?" und dann huschte ihr Blick wieder auf Mert seinen Oberkörper.
Warum beobachtet sie ihn so?
Kann sie ihre Blicke nicht senken?
Mert murmelte ihr noch irgendwas ins Ohr, aber das konnte ich leider nicht mehr verstehen, da ich mich schon gebückt hatte um meine Schuhe auszuziehen. Als sie dann das Haus verließ schaute ich Mert ganz perplex an.
"Was läuft da zwischen euch", fragte ich und riss meine Augen weiter auf als sie es schon waren.
Er zuckte nur mir den Schultern und meinte lachend, "Ich weiß nicht mal ob wir zusammen sind."
"Ernsthaft? Aber ich finde die passt nicht so zu dir", den letzten Teil sagte ich nicht so laut und verschränkte dabei noch meine Arme.
Er sagte dazu nichts und hob das labbrige Pizzastück vom Boden auf. Ich folgte ihm bis in die Küche, wo er das Pizzastück wegschmiss.
Ich setzte mich auf einen Stuhl hin und fragte ihn, "Was willst du lernen, Chemie? oder Physik?"
Er fing an zu lachen und ich war schon wieder verwirrt.
"Alles ok bei dir?", fragte ich.
"Ich hab nur das Wort lernen benutzt, weil deine Mutter neben dir stand", sagte er und lehnte sich an der Kücheninsel an, "ich wollte eigentlich, dass du mir hilfst mit Melissa zusammen zu kommen, aber ich schaff' das schon selbst."
Mittlerweile war ich schon aufgestanden und war nur noch wenige Millimeter von ihm entfernt.
"Das ist jetzt nicht dein scheiß ernst? Nur deswegen bin ich hergekommen?", Wut stieg in mir auf und während dem Reden fuchtelte ich mit meinen Händen wild in der Luft herum. Doch das einzige was Mert sagte war, "Don't look at my nipples!"
Ich hatte nicht mal auf seine Nippel geschaut!
"Ich hab deine Nippel nicht mal angeschaut", und aus Reflex schaute ich jetzt drauf.
"Soll ich dir auch auf die Nippel starren oder was?", lachte er. Meine Wut war wie weggeblasen und ich fing auch an zu lachen. Ich trat einen Schritt zurück da wir schon viel zu nah beieinander standen und knallte mit meinem Hinterteil an die Kante eines Tisches.
"Du lenkst voll vom Thema ab! Also ich bin jetzt voll unnötig hergefahren!"
Er fing an zu lachen und legte seinen Kopf in den Nacken, "ich darf doch wohl mit meiner besten Freundin abhängen."
"Wenn's sein muss", sagte ich spielerisch. Er setzte sich auf einen Stuhl und ich ebenfalls.
"Weißt du unser Leben ist eigentlich voll langweilig. Die in Amerika machen voll coole Dinge, gehen auf Partys und sogar die Schulen dort sind voll cool", ich atmete einmal tief ein und dann wieder aus, "und hier bei uns ist alles voll langweilig. Wir gehen zur Schule kommen nach Hause, essen daheim und dann gehen wir wieder schlafen.
Das ist unser Alltag und dieser langweilige scheiß geht ein lebenlang. Ich weiß zwar nicht wie ich jetzt auf dieses Thema gekommen bin aber ja."
"Ich fühle mit dir", sagte Mert, "weißt du was?"
Ich setzte mich aufrecht hin und hörte ihm zu.
"Mir ist gerade etwas eingefallen", er schaute kurz auf den Boden und fing an zu lachen, "wenn du schlafen gehst, lass dein Handy nie auf lautlos. Ich werde dich eines Tages nachts anrufen und wir werden etwas unternehmen, dass du nie vergessen wirst!"
Ich schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und sagte, "Versprochen?"
"Versprochen."

Ich blieb noch etwas länger bei Mert und wir redeten eine ganze Weile über unnötige Dinge unseres Lebens. Ich konnte echt froh sein, so einen besten Freund zu haben.
Diesen Wert habe ich schon immer geschätzt. Mittlerweile waren wir in Mert's Zimmer, dort lag ich auf seinem Bett und er saß auf einem Sessel.
"Kennst du de-", wollte mich Mert gerade fragen, aber er brach seine Frage ab, da wir von unten laute Geräusche hörten. Wir beide blieben still um die Laute von unten besser zu hören, plötzlich hörten wir dann das Zerbrechen von Glas und erschraken. Wir beide schauten uns geschockt an. Ich hatte verschiedene Ideen im Kopf für das was da unten passiert sein könnte. Bevor ich etwas sagen konnte, murmelte Mert schon fast unhörbar:"Fuck."
In diesem Moment ging er aus dem Zimmer und ich stand alleine da, dann folgte ich ihm und hörte die nochmal das Geräusch, wenn Glas zerbrochen wird. In Rekordzeit war ich mit Mert unten in der Küche angelangt und sah dort wie ein heftiger Streit von seinen Eltern ausharrte. Es lagen mehrere Glasscherben auf dem Boden verteilt, seine Eltern standen sich gegenüber und Yildiz Yenge war am Weinen.
Als ich wieder Schritte hörte, die Treppe runtergelaufen waren, drehte ich mich um und bemerkte, dass es Aleyna war.
"Was ist passiert?", fragte sie mit weit aufgerissenen Augen und stellte sich zu mir, dabei kullerte ihr eine Träne runter. Ich schlang meinen rechten Arm um ihren Körper, um ihr mehr halt zu geben. Mir wurde etwas mulmig und meine Unterlippe fing an wie bei einem Erdbeben zu zittern.
"Ben Boşancam", (Ich werde mich scheiden lassen) hörte ich nur noch Mert's Vater schreien und dann verließ er aufgebracht die Wohnung und würdigte Mert keinen einzigen Blick. Ich fühlte mich so fehl am Platz und wusste nicht was ich sagen sollte, wie ich handeln sollte und ob ich überhaupt etwas tuen sollte - stattdessen stand ich da wie ein Stein. Yildiz Yenge kullerten mehrere Tränen die Wange runter, weshalb Mert sich durch die Glasscherben einen Weg suchte und sie fest in den Arm nahm.
"Es tut mir leid", schluchzte sie. "Shh", versuchte Mert sie zu beruhigen. "Wir wollten uns schon seit längerer Zeit scheiden lassen, aber ich habe es nicht übers Herz geschafft es euch zu sagen."
Nachdem sie diesen Satz ausgesprochen hatte, spürte ich leere in Mert seinem Gesichtsausdruck, als würde die Zeit stillstehen.
Dabei schaute er mir in die Augen. Ich konnte diesem Blickkontakt nicht abweichen, es ist so als würden seine Augen mich festhalten und genau in diesem Moment fühlte ich mich ertappt. Erwischt davon, dass ich die ganze Zeit wusste, dass sich die Eltern meines besten Freundes scheiden lassen würden, aber trotzdem hatte ich ihn von vorne bis hinten angelogen. Meinen besten Freund.

Nach diesem Vorfall ging ich auch nach Hause, sodass sie Zeit für sich hatten. Daheim erzählte ich alles meiner Mutter, die geschockt fragte:"Aleyna und Mert wissen aber nicht Bescheid dass wir es schon wussten?"
Ich schüttelte meinen Kopf und schaute dabei beschämt auf den Boden - die ganze Zeit wusste ich es und dachte nicht mal daran es ihm zu sagen.
Meine Mutter rief direkt Yildiz Yenge um nach ihrem Zustand zu fragen. Ich hörte einen Teil des Telefonates zu, indem meine Mutter versuchte sie zu überreden, dass sie einige Tage bei uns wohnen sollten und nicht wie damals zu ihrer Schwester die zwei Stunden von hier entfernt wohnt. Da sich das Gespräch allmählich zu lang zog, lief ich hoch in mein Zimmer. Dort nahm ich direkt mein Handy in die Hand und schrieb Mert eine Sms.
"Wie geht's euch so? Ist noch was passiert? Wie geht es deiner Mutter? & ist Aleyna sehr traurig? Wenn du willst können wir auch direkt morgen etwas unternehmen zur Ablenkung undso <3"
Zwar war diese Nachricht mit Fragen überhäuft, aber es ging um ihr Wohlbefinden.
"Sie haben sich beide ausgeruht und es geht uns gut. Ja ist 'ne gute Idee etwas zu Unternehmen ich nehme aber Aleyna dann auch mit ok?"

"Ja dann nehm' ich Emir noch mit :) was wollen wir machen? Morgen wird es 30 Grad oder so", tippte ich in mein Handy ein und schickte die Nachricht ab.

"Wie wärs wenn wir an den See gehen oder ins Freibad?"

"Gute Idee! Den Rest können wir ja in der Schule ausmachen :D"

"Ok."

Als ich mir den Chatverlauf nochmal durchlas bemerkte ich, dass nur ich mit Smileys geschrieben hatte und er gar nicht. Ihm geht es also immer noch
scheiße!

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